1&1 und die Zwangstrennung des Todes

Mitte 2024 hatte ich die wohl dümmste Idee der letzten Jahre: Nach mehreren zufriedenen Jahren mit der Telekom als Internetanbieter entschied ich, dass es Zeit ist, neue Wege zu beschreiten.

Vorgeschichte

Ich hatte die Jahre vor dem Wechsel lange Zeit meinen Anschluss bei 1&1 , dieser machte mehrere Umzüge mit und wurde schließĺich aufgrund angeblich technisch nicht behebbarer Leitungsstabilitätsprobleme abgelöst.

Bei der Telekom setzten sich die häufigen Verbindungsabbrüche fort, wurden jedoch mit dem zweiten Technikerbesuch vor Ort schließlich durch das Abklemmen mehrerer in Reihe geschalteter TAE-Dosen behoben. Offenbar sorgte die nicht fachgerechte Verkabelung für Einkopplungen oder andere Störeinflüsse, bei den empfindlichen DSL-Protokollen, speziell mit Vectoring und hohen Datenübertragungsraten, führt das recht zuverlässig zu Beeinträchtigungen. Nach dem Trennen der überflüssigen Dosen stabilisierte sich die Verbindung und ich hatte nur sehr selten Trennungen - meist durch das von mir gesteuerte Updaten und Neustarten meines Routers.

Nun dachte ich mir, dass die Leitungsstörungen ja behoben seien, zudem bot mir 1&1 ein sehr günstiges Komplettpaket, das effektiv zum halben Preis mehr Leistung bot als der Telekom-Vertrag. Der Preis war ein treibender Faktor, jedoch nicht der einzige. im Vorfeld meiner Kündigung telefonierte ich mit dem Telekom-Vertrieb und erkundigte mich, ob mit dem optional zubuchbaren IPTV-Paket auch eine Weboberfläche zur Verfügung stünde, mit der ich auch auf einem Linux-Gerät einen bestimmten Sender schauen könne. Kurioserweise wurde dies verneint, obwohl mit der Entertain-Webseite durchaus ein solcher Service zur Verfügung steht. Das wussten zu diesem Zeitpunkt jedoch weder ich noch die Vertriebsmitarbeiterin…

Da ich neben dem finanziellen Interesse auch ein Interesse daran hatte, auf meinem Linux-Client das eine oder andere TV-Programm zu schauen (ich besitze keinen Fernseher und schaue in der Regel höchstens Dokumentationen und Nachrichtensender) und 1&1 seit kurzem ein grundlegendes IPTV-Senderangebot im Preis inbegriffen hatte, entschied ich mich wider besseren Wissens für einen Anbieterwechsel. Auf zu 1&1.

Gesagt, getan. Zum Ende des Monats war der Telekom-Anschluss gekündigt und 1&1 übernahm nahezu ohne Ausfall der Leitung. Ich konfigurierte einige Stunden an meiner Netzwerkhardware herum um sie optimal an die neue Leitung anzupassen und freute mich auf alles, was nun so kommen sollte. Und es kam - die Zwangstrennung.

Back to Leitungsstörung

Mit meinem Telekom-Anschluss waren sowohl unplanbare Leitungsstörungen als auch tägliche Zwangstrennungen ein Thema der Vergangenheit geworden. Ich hatte mich im Vorfeld des Anbieterwechsels mit dem 1&1-Vertrieb in Verbindung gesetzt und mir bestätigen lassen, dass keine Zwangstrennung stattfindet. Boy, were they wrong! Um 20 vor vier Uhr morgens brach die Internetverbindung zusammen und wurde erst Minuten später wiederhergestellt. Ich prüfte meine Hardware und die Logdateien und sah den Verbindungsabbruch - Paketverlust auf der Leitung. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich als Modem ein Draytek Vigor 165 im Einsatz und dahinter meine Unifi-Infrastruktur mit der Dream Machine Pro als Firewall, die sich ins Internet einwählte. Keines dieser Geräte führt eine automatische Trennung der Internetverbindung durch, es gibt nicht einmal eine Option dafür.

Dennoch wollte ich ausschließen, dass der Fehler auf meiner Seite lag. Nach einem kurzen Gespräch mit dem 1st Level des 1&1-Supports, der mir versicherte, es gebe keine Zwangstrennung, und wenn, dann könne es ein Techniker abstellen, ließ ich mich mit der entsprechenden Abteilung verbinden. Hier versicherte man mir (im Gegensatz zur ersten Aussage), dass es sehr wohl eine Zwangstrennung gebe, diese könne man auch nicht deaktivieren, denn diese werde von der Telekom vorgeschrieben, deren Leitung man benutze. Spannende Aussage, ich habe mir den klärenden Anruf bei der Telekom jedenfalls erspart. Um wirklich auszuschließen, dass keins meiner Geräte das Problem ist, schloss ich eine Fritzbox 7590 an, konfigurierte diese für den normalen Routerbetrieb und ließ sie die Einwahl vornehmen und das Internet an die nachgelagerte UDM Pro weiterreichen. Das Ergebnis war vorhersehbar: 24 Stunden später wurde die Verbindung wieder getrennt. Da die Fritzbox die Verbindung selbst verwaltete dauerte diese Trennung zwar nur den Bruchteil einer Sekunde, doch der IPv6-Präfix änderte sich mit der Neueinwahl dennoch.

Gut, mag nun der geneigte Leser denken, dann ändert sich ein Präfix und die Verbindung war nur Sekundenbruchteile getrennt - so what?

Das Ding mit IPv6 und offenen Ports

Das Problem hat mehrere Facetten:
Mit der Änderung des IPv6-Präfixes bekommen nach und nach alle meine intern betriebenen Geräte neue IPv6-Adressen zugewiesen. Mein Netzwerk besteht aus mehreren VLANs mit unterschiedlichen Adressbereichen, die zum einen durch Firewallregeln voneinander separiert sind und zum anderen durch die Natur dieser Netzbereichsaufteilung nicht mit lokalen IPv6-Adressen über die VLAN-Grenzen hinweg miteinander kommunizieren können. Das bedeutet zum einen, dass mit einem Wechsel des Präfix die Geräte nach und nach eine ganze Armada von IPv6-Adressen ansammeln und offenbar auch weiterhin versuchen, darüber zu kommunizieren. Das führt in der Übergangsphase zuweilen zu Kommunikationsproblemen untereinander, so dass meine internen Services nicht zuverlässig funktionieren. Zum anderen erlaubt die UDM Pro nur begrenzt, Firewallregeln für wechselnde IPv6-Adressen so zu schreiben, so dass diese auch nach dem Wechsel noch wirksam greifen. Möglicherweise habe ich dafür in der Zwischenzeit eine Lösung gefunden, aber schön ist sie nicht.

Zudem kann und möchte ich keine Fritzbox permanent im Router-Modus vor der UDM Pro betreiben, da mir dies zum eine “doppelte Buchhaltung” beschert, da ich alle Portfreigaben sowohl auf der UDM Pro als auch auf der Fritzbox schalten muss. Zum anderen betreibe ich so ein “doppeltes NAT”, da sowohl die Fritzbox ihre öffentliche IP-Adresse in eine lokale lokale (und zurück) übersetzt, als auch die UDM Pro die Adresse der Fritzbox (bereits das NAT der öffentlichen IPs) noch einmal in ihre eigenen internen Adressen umschreibt. Multicast und direkte Verbindungen per UDP sind auf diese Art eine Qual. Das Portfreigaben-Thema kann man ggf. umgehen, indem die Fritzbox die UDM Pro als “exposed Host” behandelt, also ohne filternde Firewall allen Datenverkehr direkt dorthin weiterleitet, sauber ist das allerdings nicht - und das doppelte NAT wird dadurch auch nicht behoben.

Ich war’s nicht, ehrlich!

Nun gut, noch einmal zum 1&1-Support, diesmal mit handfesten Beweisen, dass das Problem tatsächlich nicht auf meiner Seite besteht und es sich um eine Leitungstrennung seitens 1&1 handelt. Und wenn man mir schon einmal am Tag die Ehre einer automatisierten Intervention erweist, nutze ich das reichliche Serviceangebot, um dem einen Riegel vorzuschieben. Dachte ich zumindest.
Mir wurde freundlich bestätigt, dass es in der Tat eine derartige 24h-Trennung gebe, diese könne auch nicht abgeschaltet werden. Sogar für Geschäftskunden nicht. Die bisherigen Widersprüche der vorherigen Anfragen könne man sich nicht erklären, aber wenn es mir weiterhelfe könne man wenigstens bei einem Geschäftskundenanschluss eine feste IPv4-Adresse sowie einen festen IPv6-Präfix schalten, der Vertrag müsse entsprechend umgestellt werden.

Da diese Vorgehensweise wenigstens meine internen Verbindungs- und Firewallprobleme behoben hätte, war ich durchaus geneigt, das Experiment zu wagen. Mein nächster Anruf ging also zur Geschäftskundenhotline bzw. deren Vertriebsabteilung. Ihr werdet es nicht erraten: Nein, feste IP-Adressen und IPv6-Präfixe schalte man auch bei Geschäftskunden nicht, so etwas biete man generell nicht an. Man staunte baß, woher ich meine Informationen habe und riet mir nach einigem Hin und Her, dann den Vertrag vorzeitig zu kündigen, da mir offenbar falsche Informationen gegeben wurden, die mir eine falsche Vorstellung der Vertragsleistungen vermittelt haben.

Was für ein Rückschlag. Ich hatte zwar schon insgeheim mit diesem Ausgang gerechnet, hatte aber gehofft, dass sich dennoch eine halbwegs zufriedenstellende Lösung finden würde. Aber es half ja alles nichts, ein Internetanschluss mit derartigen Einschränkungen war für mich nicht zu gebrauchen. Ein kurzes Telefonat mit der Telekom später wusste ich, dass diese meinen Anschluss sehr zeitnah neu beschalten können, sobald ich die Kündigungsbestätigung seitens 1&1 erhalten habe. Also schrieb ich eine längliche Mail…

Eine längliche Kündigungsmail

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe vor kurzem meinen Internetanschluss von der Telekom zu Ihnen umgezogen. Entgegen meiner Erwartungshaltung und der Aussagen Ihrer Kundenberater kommt es alle 24 Stunden zu einer Zwangstrennung der Internetverbindung, die zusätzlich zu einem Wechsel des IPv6-Präfix führt.

Ich habe mich diesbezüglich mehrfach mit Ihrem 1st Level Support, Ihrer Technik, dem Privatkundenvertrieb sowie der Geschäftskundenhotline in Verbindung gesetzt. Ich bekam unterschiedliche und sich teils widersprechende Aussagen (in chronologischer Reihenfolge, ggf. finden Sie in den Notizen in Ihrer Anrufhistorie zusätzlich interne Notizen):

- Zwangstrennung existiert nicht
- Zwangstrennung existiert, kann aber von der Technik auf Anfrage deaktiviert werden
- Zwangstrennung existiert und kann auch nicht deaktiviert werden, Geschäftskundenanschlüsse haben diese jedoch nicht
- Zwangstrennung existiert eigentlich nicht, aber eine feste IPv4-Adresse sowie ein fester IPv6-Prefix können für Geschäftskunden geschaltet werden
- Zwangstrennung existiert bei allen Tarifen, egal ob für Geschäfts- oder Privatkunden; feste IPs und Prefixe gibt es ebenfalls nicht

Ich komme wie erwähnt von einem Telekom-Anschluss, bei dem eine Zwangstrennung, wenn überhaupt vorhanden, so selten geschieht, dass ich meine Geräte aufgrund von monatlichen Wartungszyklen eher neu starte, als dass ich etwas davon mitbekomme.

Eine Zwangstrennung ist für mich aus folgenden Gründen eine inakzeptable Funktionseinschränkung:

< längliche Erklärung meiner beruflichen Anforderungen, die hier nichts verloren haben, sorry. :) >

Hinzu kommt, dass ich intern nativ IPv6 nutze, indem ich den bereitgestellten Präfix als Subnetze an meine VLANs weitergebe. Jedes Mal, wenn dieser Präfix wechselt, werden meine Geräte-IPs (IPv6, nicht IPv4) ungültig und müssen neu ausgehandelt werden. Dies führt zu internen Verbindungsproblemen zwischen VLANs, da sonst übliche lokale Adressen hier nicht geroutet werden können. Zusätzlich zu den Konnektivitätsproblemen muss ich durch die neu vergebenen IPv6-Addressräume jedes Mal die vorhandenen Firewallregeln, die die VLANs und Geräte voneinander trennen, neu schreiben (lassen). Auch das erzeugt mir im Moment der Trennung unnötig viel Aufwand. Einmal im Monat war das machbar, täglich grenzt es an Schikane.

Da mir inzwischen mehrfach versichert wurde, dass die Zwangstrennungen nach 24 Stunden gesetzlich vorgeschrieben sei (mir ist im aktuellen TKG kein entsprechender Paragraf bekannt, im Gegenteil wird durch die Zwangstrennung an All-IP-Anschlüssen auch die IP-Telefonie getrennt, womit in diesem Zeitraum kein Festnetz-Notruf mehr möglich ist, was rechtlich für Sie als Anbieter mindestens eine grenzwertige Praxis sein dürfte) und auf technischer Ebene von Ihnen nicht abgeschaltet werden kann, muss ich an dieser Stelle dem Rat Ihres Vertriebs folgen:

Ich kündige hiermit den Vertrag XXXXXXXXXX außerordentlich zum 30.06.2024, sofern sich Ihrerseits nicht binnen 10 Tagen eine technische Lösung finden lässt.

Bitte prüfen Sie diese Angelegenheit und geben Sie mir eine Rückmeldung bis spätestens 21.06.2024, ob meinem Anliegen nachgekommen werden kann. Bitte beachten Sie, dass die Kündigung zum 30.06.2024 erfolgt, um die nötige Zeit für einen erneuten Anbieterwechsel zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen

Ich erläuterte also meine Anforderungen an einen Internetanschluss und wieso der 1&1-Anschluss für mich auf diese Art nicht sinnvoll nutzbar ist, räumte 10 Tage für die Suche nach einer technischen Lösung ein und kündigte für den Fall, dass dies nicht möglich sei, den Vertrag mit Wunschtermin zum Ende des Monats, um noch genügend Zeit zu haben, einen neuen Vertrag und Schaltungstermin auszumachen. Ich wähnte mich auf der sicheren Seite und folgte mit dieser Mail auch der Empfehlung der Telekom, da eine Übernahme der Leitung durch die portierten Festnetznummern andernfalls deutlich länger gebraucht hätte - Aussage Telekom.

Überraschungskündigung!

Die Mail ging noch am späten Abend bei 1&1 ein und bereits am Nachmittag des Folgetages erhielt ich meine Kündigungsbestätigung. Man bedauere das vorzeitige Ende des Vertragsverhältnisses und hoffe, zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht wieder zusammen zu finden. In der Mail wurde mir auch der Termin der wirksamen Kündigung (mit Abschaltung aller Services) mitgeteilt: Der 12.06.2024 - also der heutige Tag. Meine Bitte, den Vertrag erst zum Ende des Monats zu kündigen, wurde ignoriert.

Mein erster Anruf galt der Telekom. Der Kundendienstmitarbeiter, mit dem ich schon am Vorabend gesprochen hatte, handelte mit mir einen neuen Vertrag mit allen Optionen aus, die ich brauchte. Auch er war sich nicht sicher, ob es eine Web-Oberfläche für IPTV gab, nach kurzer Recherche bestätigte er aber meine Vermutung, dass diese ggf. unter web.magentatv.de zu finden sein könnte. Gut, dass ich mich diesmal selber schon informiert hatte.
Bei der Erfassung der Vertragsdaten und der automatischen Anfrage bei 1&1, wann die Leitung freigegeben sei, staunten wir nicht schlecht: Die Leitung wurde noch bis zum 21.06.2024 von 1&1 blockiert, erst danach sei eine Schaltung seitens der Telekom möglich. Für mich bedeutete das im Zweifel: Ich würde vom 13.06. bis zum 22.06. ohne Internet dastehen. Was war da wieder schiefgelaufen?

Inzwischen näherte sich der Feierabend und ich sagte eine gemütliche Runde bei Freunden ab, bei denen wir mechanische Keyboards bestaunen und probetippen wollten (habe ich erwähnt, dass wir ziemliche Nerds sind?). Stattdessen schrieb ich erst eine Antwort mit Bitte um Klärung auf die 1&1-Kündigungsmail, wobei die Nachricht direkt als unzustellbar zurück kam. Der Support-Chat bekam dieselbe Nachricht, doch derartige Anliegen könne man leider nur telefonisch klären. Also back to Hotline, die Nummern kenne ich inzwischen sowieso halbwegs auswendig. Wenigstens verursachen diese Eskapaden mir keine Zusatzkosten, da auch mein Mobilfunkvertrag (noch ein Jahr) bei 1&1 liegt.

In der Hotline war man überrascht über das sofortige Kündigungsdatum, musste aber zum großen eigenen Bedauern feststellen, dass man im Grunde jetzt gar nichts mehr daran ändern könne und dass der Prozess jetzt automatisch durchlaufen werde. Die Sperrung der Leitung bis zum 21.06. könne man sich aber nicht erklären, es könne aber durchaus sein, dass bis zu diesem Zeitpunkt wenigstens die Internetverbindung weiterhin zur Verfügung stehe. Das wäre aus meiner Sicht auch wünschenswert und ggf. im Rahmen der Weiterversorgungspflicht bei einem Anbieterwechsel auch angeraten, denn sonst könnte es für die 1&1 zu unverhältnismäßigen Mehrkosten kommen, wenn sie mir die Ausfalltage bezahlen müssten. Mir wäre es vom Finanziellen her komplett egal, auf die knapp 100€ könnte ich durchaus verzichten, aber es wäre mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Ganz davon ab, dass ich trotzdem kein Internet haben würde.

Der Fall wurde direkt ins Backoffice weitergegeben und um Klärung und schnelle Rückmeldung bei mir gebeten. Gespannt wartete ich, ob diese Rückmeldung noch erfolgen würde, bevor ich durch das Kappen der Verbindung für die kommenden 10-11 Tage auf normalem Wege nicht mehr erreichbar sein würde.
Wer sich jetzt fragt, wieso ich nicht erreichbar sein sollte, wenn das Festnetz abgeschaltet ist, es gebe ja immerhin noch Mobilfunk und ich sei ja offenbar auf Mobilfunkkunde bei 1&1: Alles schön und gut, aber in meiner Souterrain- oder Kellerwohnung habe ich in der Tat meistens keinen oder unglaublich schlechten Empfang - ich bin nur durch WLAN-Telefonie direkt erreichbar, alles andere erfordert, dass ich vor die Haustür gehe. Leider ist die Empfangssituation auch im Büro eher mau, die Datenverbindung schafft das Smartphone nur nahe der Fenster, Telefonieverbindungen sind derart wackelig, dass ich auf den Balkon gehen muss. Keine guten Voraussetzungen, um mit dem 1&1-Support über meine nicht mehr geschaltete Leitung zu sprechen.

Zwischenspiel: Die seltsame Welt der Psyche

Ich finde es erstaunlich, wie unruhig ich werde, wenn mir angedroht wird, eine Weile ohne Internet auskommen zu müssen. Ansich ist es kein allzu großes Ding, denn meiner Arbeit kann ich auch im Office nachgehen, wo ich ausreichend mit Internet versorgt werde. Meine Geräte könnte ich im Zweifel bei den Nachbarn ins Gast-WLAN hängen, denen ich wenige Wochen zuvor bis zur Schaltung ihres Internets mein WLAN zur Verfügung gestellt hatte, ich müsste vermutlich nur fragen. Und elektiv (also aus eigener Entscheidung) genieße ich zuweilen auch mal Stunden, Tage oder gar Wochen ohne oder mit nur ganz wenig Internet. Digital Detox quasi.

Und dennoch: Der Gedanke in den kommenden Tagen potenziell nicht frei im Netz surfen, an meiner Infrastruktur basteln oder die eine oder andere Doku schauen zu können verunsichert mich. Wie ein Stück Freiheit, das mir böswillig genommen wurde. Nicht, dass ich noch hunderte Dokus auf dem NAS liegen hätte, die nur darauf warten, geschaut zu werden. Nicht, dass ich nicht sowieso wieder öfter im Grunewald wandern und Pilze suchen gehen wollte. Nicht, dass ich sowieso urlaubsreif bin und eine kleine digitale Auszeit durchaus brauchen könnte. Aber darum geht es schließlich nicht, all das könnte ich ja, wenn ich wollte, und überhaupt. Kurz: Meckern auf hohem Niveau mit ausreichend Ausweichmöglichkeiten und Fallback-Lösungen. Trotzdem alles doof.

Der Tag danach oder: Bin ich da noch drin, oder was?

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, ging mein erster Blick zum Smartphone. Genauer: Zum Mail-Postfach, das mir zwar nicht die erwartete Antwort von 1&1, aber immerhin erst vor kurzem eingegangene E-Mails anzeigte. Die WLAN-Verbindung war aktiv, kein Anzeichen von Internetlosigkeit. Hatte meine dringliche Anfrage tatsächlich etwas bewirkt? An dieser Stelle muss ich gestehen: Ich weiß es nicht. Bis heute habe ich keine Rückmeldung erhalten, ob ein Techniker sich todesmutig in die anlaufende Maschinerie des Kündigungs-Automatismus stürzte und unter Lebensgefahr eine Brechstange in das komplizierte Räderwerk trieb, um es noch für einige Tage aufzuhalten. Vielleicht habe ich den deutlichen Wortlaut der Kündigungsbestätigung und den sofortigen Kündigungszeitpunkt auch einfach falsch verstanden und eine Weiterversorgung wäre in jedem Fall erfolgt. Ich finde jedenfalls Gefallen an der ersten Vorstellung, ein wenig Drama passt ganz gut zu dem ganzen Clusterfuck.

Ich für meinen Teil brauchte für den Stress der letzten Tage jedenfalls einen Ausgleich. In den morgendlichen Mails fand sich unter anderem eine Nachricht von Keychron , dass das Keyboard, in das ich mich schon vor langem und am Vorabend erneut schockverliebt hatte, spontan wieder lieferbar war. Drei Klicks später und um 240€ ärmer machte sich das wohlige Gefühl des entspannenden Impulskaufes breit und ich machte mich auf zur Arbeit.

Böses Erwachen an Tag 2

Ich bin Langschläfer, wenn mein Wecker mich behutsam aus dem Schlaf reißt ist es selten vor 8 Uhr. Vor 9 Uhr bin ich kaum ansprechbar oder gar fähig, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, außer ich helfe gezielt mit Koffein oder anderen Wachmachern nach. Umso seltener kommt es vor, dass ich mitten in der Nacht, so gegen 3 oder 4 Uhr früh, plötzlich hellwach bin.

Moderne Smartphones sind tatsächlich ein klein wenig smart, denn wenn sie im WLAN keine Internetverbindung feststellen, routen sie den Datenverkehr einfach direkt über die SIM-Karte ins mobile Internet. So erreichten mich zwischen 3 und 4 Uhr nachts auch die dringlichen Meldungen der externen Überwachungsmechanismen, die die permanenten VPN-Verbindungen in mein Heimnetz überwachen und auf verschiedenen Kanälen eine mehr als wenige Minuten anhaltende Verbindungsstörung festgestellt hatten. Sprich: Das Handy blinkte wie ein Weihnachtsbaum und die priorisierten Meldungen wurden an der nächtlichen Stummschaltung vorbei geroutet. Normale Weckertöne sind mir lieber.

1&1 hatte die Ankündigung, alle Dienste mit Vertragsende einzustellen, umgesetzt. Ändern kann ich daran nichts, daher stellte ich die Alarme stumm, vergewisserte mich, dass alles andere noch funktionierte wie gewohnt und legte mich wieder hin. Alles Weitere würde ich später klären müssen.

Den Tag verbrachte ich im Büro, erledigte die Arbeiten, für die ich den Kopf gerade noch frei bekommen konnte, und beriet mich mit einigen Kollegen und Bekannten, die noch etwas tiefer in der Thematik stecken als ich. Als Mitarbeiter eines Unternehmens, das unter anderem Themen wie BCM, ISMS, IT-Security und Incident Response abdeckt, habe ich Zugang zu einem breiten Wissensschatz, der zwar in der Regel im Firmenumfeld zum Tragen kommt, aber durchaus auch auf Privatpersonen anwendbar ist.

Der erste ernsthafte Anruf ging mal wieder zu 1&1. Dort bestätigte man mir die Trennung der Verbindung, den weiterhin auf dem 21.06.2024 stehenden Sperrtermin für den Anschluss und nahm meine freundliche aber bestimmte Aufforderung, diese Sperre zu entfernen und der Telekom den Zugriff zu ermöglichen relativ gelassen hin. Es wurde ein Rückruf oder wenigstens eine E-Mail im Laufe des Tages versprochen, in der man den aktuellen Bearbeitungsstand mitteilen werde. Mehr könne man gerade nicht tun, gebe das Anliegen aber wie üblich mit hoher Priorität an die entsprechende Stelle.

Natürlich erhielt ich an diesem Tag weder einen Anruf, noch eine E-Mail. Nicht, dass ich an dieser Stelle ernsthaft damit gerechnet hätte. Und so erhielt die Bundesnetzagentur am frühen Abend eine ausführliche Darstellung der Lage mit der Bitte, die zur Verfügung stehenden Mittel zu verwenden, mir zu helfen. Mir war bewusst, dass auch die Bundesnetzagentur vermutlich erst dann reagieren würde, wenn bereits ein Großteil der Wartezeit auf den neuen Anschluss vergangen sein würde, doch das Thema einfach auf sich beruhen zu lassen war für mich keine Option mehr. Da ich durch die unerwünscht frühe Abschaltung der Leitung und die Sperre des Anschlusses für Mitbewerber bis anderthalb Wochen nach Vertragsende (hier liegt das eigentliche Problem) deutliche Mehraufwände und Kosten haben würde, nahm ich die Geschichte nun endgültig persönlich.

Weitere mögliche Schritte

Am Samstag, einen Tag später, erhielt ich im Übrigen dann doch noch eine Antwort seitens 1&1. Man bestätigte mir, dass der Port weiterhin bis zum 21.06. blockiert bliebe. Well, so be it. Die Bundesnetzagentur meldete sich am folgenden Montag zurück: Das Ganze sei ein zivilrechtliches Problem, das sie nicht klären können und ich möge mich an den Verbraucherschutz oder einen Anwalt wenden. Auch der weiterhin gesperrte Port sei nicht in ihrem Aufgabenbereich, das sei eine reine Absprachesache zwischen altem und neuem Anbieter. Well, danke für nichts an dieser Stelle, ich frage mich derweil, was passieren muss, damit die Behörde sich einschalten darf. Aber gut.

Das Wochenende verbrachte ich größtenteils offline. Ich informierte am Freitag meine Kollegen, dass ich ggf. telefonisch und zumindest auf den Firmengeräten überhaupt nicht erreichbar sein würde und das Wochenende nicht direkt zur Verfügung stehe. Glücklicherweise hatte ich in den letzten Jahren für den ebenfalls bei 1&1 laufenden Mobilfunkvertrag etliche dutzend Gigabyte an Datenvolumen angesammelt, so dass ich wenigstens keine übermäßige Sorge haben musste, komplett offline zu sein. Dass ich in der Souterrain-Wohnung kaum Empfang habe - geschenkt, ich nutzte die zwei Tage, um zu wandern, Freunde zu besuchen und in Ruhe zu Hause offline diesen Artikel weiter zu schreiben. Ein lieber Nachbar, den ich die ersten internetlosen Tage in seiner neuen Wohnung mit meinem Gast-WLAN versorgt hatte, revanchierte sich und ließ mich sein Netz mit nutzen (auch wenn die Verbindung zwar auf dem Handy, aber nicht auf dem PC stabil lief - bedingt durch das Fritzbox-Captive-Portal und meine Netzstruktur, die gerne Default-Routen setzt). So konnten wenigstens einzelne Geräte eingeschränkt kommunizieren und ich musste das Smartphone nicht permanent als Hotspot ans Fenster legen.

Ich werde wohl noch mit dem Verbraucherschutz meine Optionen für eine Kompensation der Ausfälle und Mehraufwände besprechen, immerhin fallen für den gescheiterten Vertrag keine zusätzlichen Kosten an. Die kommenden Tage arbeite ich jedenfalls zwangsweise vom Büro aus, nicht aus dem HomeOffice. Und dann gibt es ja auch noch die Rubrik “Vorsicht Kunde!” des vielgelesenen IT-Magazins heise, für die sich die beschriebenen Ereignisse geradezu anbieten. Vielleicht haben die ja Interesse an dem Fall.

Einer meiner besten Freunde formulierte es letztens ungefähr so: “Ich verstehe nicht, wieso manche Anbieter immer noch glauben, dass es eine gute Idee ist, sich mit ihren Power-User-Kunden anzulegen und sie zu vergraulen.” Ich stimme ihm zu. Im allerbesten Fall verlieren sie nur einen Kunden, der sie nicht mehr weiterempfiehlt. Im schlimmsten Fall verlieren sie zusätzlich Geld, Reputation und weitere Kunden. Power-User mögen zwar nur den Bruchteil eines Prozents der regulären Privatkunden ausmachen, aber häufig sind es genau diese Personen, die reichweitenstarke Blogs betreiben, in Unternehmen IT-Entscheidungen treffen oder einfach nur ihre Rechte und Möglichkeiten gut genug kennen, um sich effektiv wehren zu können. Und diese Nutzer sind es damit, die die öffentliche Wahrnehmung eines Dienstleisters stark beeinflussen können. Ob man sich diese potenziellen Fürsprecher unbedingt zum Feind machen möchte, sollte man sich als Unternehmen genau überlegen.

Die Moral von der Geschicht’: 1&1 vertraue (ich) nicht!

Ich kann - ohne das böswillig zu meinen - 1&1 als Internetanbieter derzeit nicht mehr guten Gewissens empfehlen. Das vereinzelt erschreckend falsche oder unvollständige Wissen um die eigenen Dienste und deren Einschränkungen sind ein absolutes No-go, das sowohl Neu- als auch Bestandskunden keine sinnvolle Einordnung von Leistungen und deren Auffälligkeiten erlaubt.

Positiv hervorzuheben ist, dass sie wenigstens einsehen, wenn die eigenen Mitarbeiter Mist erzählt haben und es daher unter falschen Annahmen zu einem Vertragsabschluss kam. Das Sonderkündigungsrecht wurde ohne Verhandlungen eingeräumt. Doch trotz des Wissens, dass ein Wechsel zurück zum ursprünglichen Anbieter stattfinden sollte und trotz der Bitte, wenigstens genügend Zeit zu gewähren, um die Umstellung möglichst unterbrechungsarm vorzunehmen, wurde die Kündigung zu “sofort” ausgesprochen - als nun-nicht-mehr-Kunde wird man mit widersprüchlichen Informationen und dem Verweis, nun sei es zu spät, noch etwas zu ändern, alleine stehen gelassen.

Negativ bewerte ich auch das Festhalten an den täglichen Zwangstrennungen der Internetverbindung. Auch hier fallen besonders negativ die verschiedenen Versuche auf, dieses Verhalten als von Dritten erzwungen darzustellen. Nach meinem aktuellen Kenntnisstand schreibt weder ein Gesetz (nein, auch das TKG nicht) diese Trennung nach 24 Stunden vor, noch die Telekom als Leitungseigner, die nur an 1&1 vermietet (dies würde vermutlich auch zu wütenden - und vor allem erfolgreichen - Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs, Marktverzerrung oder Ähnlichem seitens der Konkurrenz führen). Die einzigen Gründe für eine derartige Trennung stammen aus der grauen Vorzeit des Internets. Wahlweise musste man hier aus Abrechnungsgründen trennen, um hohe Kosten durch versehentlich aktiv gelassene Verbindungen zu vermeiden, um zu verhindern, dass Kunden einfach ihre IPv4-Adresse behalten und Server dahinter bereitstellen anstatt diese teuer zu mieten, oder (ein neuzeitlicheres Argument) um IPv4-Adressen neu zu verteilen, da diese verbraucht seien. Ganz, ganz selten bekommt man auch halbwegs intelligent scheinende Argumente wie die Gewährleistung des Datenschutzes, da durch die Trennung und Neuvergabe von IP-Adressen ein Tracking verhindert werde - wer sich allerdings ein wenig mit der Materie auskennt weiß, dass Tracking anhand von IP-Adressen so gut wie gar nicht stattfindet, denn hinter den meisten öffentlichen IP-Adressen stecken meist mehrere Kundengeräte und teils auch mehrere verschiedene Personen. Eine Zuordnung von Informationen anhand einer einzelnen IP-Adresse wäre so dennoch sehr mühsam, es gibt wirksamere (und günstigere) Methoden.

Alles in allem wird mit vielen Schein- und noch mehr falschen Informationen versucht, die Unart der Zwangstrennung zu verteidigen. Dass es weder einen gesetzlichen Zwang dafür gibt, noch technische Notwendigkeiten, zeigen immer mehr Internetanbieter. Nicht zuletzt die Telekom zeigt, dass es anders geht. Dass ein Anbieter durch derartige Trennungen möglicherweise sogar Leben gefährdet, indem durch die Trennung bei den modernen All-IP-Anschlüssen nicht nur das Internet, sondern damit auch gleich die Festnetztelefonie getrennt werden und Notrufe unterbrochen werden oder für die Zeit des Reconnects nicht möglich sind, ist ein anderer Faktor, der mich kopfschüttelnd zurück lässt.

Positiv hervorheben möchte ich an dieser Stelle die schnelle und unkomplizierte Bestellung und hoffentlich baldige Bereitstellung eines neuen Anschlusses durch die Telekom. Während des Bestellprozesses fühlte ich mich gut und umfangreich beraten und alle meine Fragen konnten beantwortet werden - auch die, für die ich die Antwort schon kannte und die ich zur Sicherheit einfach noch einmal stellte. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, wie man so schön sagt.

Ich lerne jedenfalls für mich aus diesem Exkurs zu anderen Anbietern: Mehr Zeit nehmen, um sichere Informationen einzuholen. Mehr Quellen konsultieren. Weniger spontane Entscheidungen treffen. Bessere Alternativen finden und den Faktor Geld nicht so hoch bewerten. Und Mitte 2025 dann auch den Mobilfunkvertrag zur Telekom umziehen, dann hat auch das begrenzte Datenvolumen ein Ende.

Aber eigentlich wäre es auch schade gewesen, diesen Artikel nicht schreiben zu können, oder…? ;)

Epilog

Am 22. des sechsten Monats im Jahre des Herren 2024 begab es sich also, dass die Telekom die Arme gen Himmel hob und sprach: “Dies ist Deine Leitung und nun geh und konfiguriere Deine Zugangsdaten und tue Gutes!” Und ich tat wie geheißen, die Firewall summte verzückt, das Modem blinkte und alle Geräte nah und fern gingen online und zogen sich Updates. Doch ich sprach: “Dies soll mir eine Lehre sein!” und tat fürderhin nur noch Gutes.